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Bertram Müller verlässt das tanzhaus nrw

Von Andreas Rehnolt

Nach gut 35 Jahren Arbeit für die freie Tanzszene ist der Intendant des international renommierten tanzhaus nrw in Düsseldorf, Bertram Müller, seit dem Silvesterabend im Ruhestand. Neue geschäftsführende und künstlerische Leiterin ist Bettina Masuch.

Der siebenundsechzig Jahre alte Müller studierte Theologie und Philosophie an der Universität Heidelberg und war 1978 Gründungsvorstand des Vereins „Die Werkstatt“, dem Vorläufer des heutigen Vereins tanzhaus nrw.

Müller schwäbelt genauso wie vor 35 Jahren, als er an den Rhein kam. Zunächst an der Grafenberger Allee, später an der Börnestraße leitete er das Kulturzentrum für Tanz, Theater, Malen, Werken und Gestalten. Als Höhepunkt seiner Tätigkeit für den Tanz nennt er die Eröffnung des Tanzhauses in einem alten Straßenbahndepot im April 1998 in der NRW-Landeshauptstadt. Sein Ansporn war stets, „dem Publikum zeitgenössischen Tanz zu vermitteln und dabei die Balance zwischen künstlerischem Anspruch und ästhetischem Genuss zu finden.“

Zudem wollte und hat er stets die internationale Tanzkunst gefördert, auch mit diversen Festivals, die mal den Flamenco, mal den orientalischen Tanz und mal den neuen afrikanischen Tanz ins Zentrum stellten. „Verständnis für andere Kulturen“ habe er wecken wollen und den Blick dafür schärfen, dass in diesen anderen Kulturen eine große, unbekannte Vielfalt des Ausdrucks steckt. „Wir waren die erste Institution, die sich dem HipHop verschrieben hat, einer Tanzform, die von der Straße auf die Bühne gekommen ist“, meint Müller. Ausschließlich Musentempel habe die Einrichtung nie sein wollen.

Was er geschafft hat in seiner langjährigen Tanzarbeit ist, dass das tanzhaus nrw inzwischen nicht nur neben der Oper und dem Schauspielhaus in Düsseldorf als drittes großes Kulturhaus etabliert ist, sondern auch inzwischen zu einer der weltweit bedeutendsten Anlaufstellen für Tänzer und Tanzensembles aus aller Welt geworden ist. Gleichzeitig gibt es nach wie vor ein umfangreiches Aus- und Weiterbildungsangebot für Tanzinteressierte. Auch Müller selbst ist bekennender Tänzer. „Beim Tanz wird nicht nur die logische Intelligenz gefördert, sondern auch die körperliche und emotionale“ erklärt der scheidende Tanzhaus-Intendant.

Von 1993 bis 1996 war Müller für die Deutsche Kultusministerkonferenz im Rahmen des EU-Programms Kaleidoscope als Sachverständiger tätig. Zudem war er Gründungsmitglied des Europäischen Instituts für Künste und Mitbegründer des Europäischen Tanzentwicklungszentrums im niederländischen Arnheim. 2008 initiierte er außerdem das Europäisch-Chinesische Festival und Austauschprojekt Chin-A-moves. Als seinen ursprünglichen Traumberuf nannte Müller kürzlich den Beruf des Gärtners. Tänzer sei „nicht sein Ding gewesen, dafür war ich zu bequem. Ich bleibe auf der Seite der Bewunderung“.

Das Tanzhaus NRW verfügt seit der Eröffnung über rund 4.000 Quadratmeter Fläche, die als Aufführungsort, Produktions- und Fortbildungsstätte für professionelle Tänzer und Choreografen sowie für Weiterbildungsveranstaltungen genutzt werden können. Mittlerweile setzt der Spielbetrieb in rund 200 Vorstellungen pro Jahr mit Festivals, Themenreihen, experimentellen Plattformen und internationalen Gastspielen unterschiedlichste Schwerpunkte. Zudem gibt es zahlreiche Kurse und Workshops für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. „In den 1970ern gab es nur Ballett und keine Freie Szene“, erinnert sich Müller. Heute üben in den Sälen pro Woche rund 3.000 Kursteilnehmer. Und es gibt Star-Choreographen zu erleben, die sonst in Salzburg, Paris, New York oder anderen Metropolen zu bewundern sind.

Am 8. März 2014 erhält Müller in Essen den undotierten, gleichwohl renommierten Deutschen Tanzpreis 2014.